Es war die Zeit, als es noch Telefonbücher gab und keine Handys. Diese Bücher waren zum Teil dick und sehr schwer, vor allem die Branchenbücher mit den gelben Seiten. Bei der Nachrichtenagentur Reuters in den 70er Jahren konnte einem passieren, dass ein solcher Wälzer wie eine Bombe auf dem Schreibtisch einschlug. Absender der Rakete war Alf Schulz. Er war als Dienstleiter der Agentur für die Richtigkeit der Nachrichten verantwortlich und Wächter der korrekten Sprache. Wenn eine Redakteurin oder ein Redakteur immer wieder denselben Fehler machte, trieb ihn das zur Weißglut. Zum Beispiel wenn jemand zum zigten Mal „wegen dem“ anstelle von „wegen des“ schrieb. Damals war dieser Dativ falsch. Heute ist er laut Duden korrekt, was die Fehlerzahl in Artikeln, Schulaufsätzen und Behördenanordnungen drastisch verringert hat. Wer sich diesen Lapsus also wiederholt leistete, musste damit rechnen, dass die Bombe auf seinem Tisch landete.

Klar: Alfs Verhalten entsprach auch in den 70er Jahren nicht der Political Correctness. Aber es machte den damaligen Anspruch von Reuters deutlich: die Agentur mit den am besten geschriebenen und zuverlässigsten Nachrichten zu sein. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter feilten an ihren Beiträgen, bis sie saßen. Es war Teil der Unternehmenskultur und Verkaufsargument. Wer in diese Kultur nicht passte, musste gehen oder wurde gar nicht erst eingestellt. Als Reuters mir Ende der 70er Jahre trotz meiner jungen Jahre als einem von vier politischen Korrespondenten in Bonn einen Vertrag gab, war das Ehre und Anspruch.

Aber ich merkte schnell, wie fragil eine solche Unternehmenskultur ist. Reuters war wenig später in das Geschäft der Finanzmarktnachrichten eingestiegen und gehörte rasch zu den Weltmarktführern. In Folge kam es immer weniger auf den Stil und die einzelnen Formulierungen an. In den Fokus rückte die Schnelligkeit. „Be first but first be right“, war das Motto. Um erfolgreich zu sein, benötigen Börsenhändler Informationen in höchster Geschwindigkeit, möglichst vor anderen Händlern. Gefragt waren bei Reuters deshalb jetzt Journalisten, die den Ehrgeiz hatten, schneller zu sein als die Konkurrenz von den Vereinigten Wirtschaftsdiensten oder Bloomberg. Es ging um Sekunden, wenn beispielsweise die Deutsche Bundesbank eine von allen erwartete Zinsentscheidung bekannt gab, und nicht mehr um die schön geschriebene Story. Die kam an zweiter Stelle. Auch hier galt: Wer diesem Druck nicht standhielt, war fehl am Platz.

Das Learning?  Wer mit einem Unternehmen Erfolg haben möchte, stellt an entscheidenden Positionen nur Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein, die zur Unternehmenskultur passen. Wie oft wird gegen diesen Grundsatz verstoßen, vor allem, wenn es an Arbeitskräften mangelt. Es rächt sich. Ich habe es selbst erfahren. Mein Buch Löwenkultur beschreibt anhand konkreter Beispiele, wie People und Culture-Denken zum Erfolg führt. Nicht nur in der Wirtschaft, sondern in vielen gesellschaftlichen Bereichen.

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